Open Lounge
Dez
Die Ferdinand-Stieffell-Orgel unserer Evang. Ludwigskirche nimmt mit ihrem vorhandenen Potenzial und ihrer besonderen Historie einen bedeutenden Platz in der Kulturgeschichte des Badischen Orgelbaus ein.
Sie genießt den Ruhm überregionaler Bekanntheit und zierte nicht zu Unrecht die Plakate der Ausstellung „Die Orgelstadt Karlsruhe innerhalb der Orgellandschaft am Oberrhein“ im Jahre 2001 in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe.
Sie ist unter Fachleuten des Orgelbaus und Orgelspiels bekannt und machte Langensteinbach schon zum Anziehungspunkt der Europäischen Orgelakademie.
Die Orgel wurde 1784 bis 1786 von Ferdinand Stieffell (Rastatt) für die Schlosskapelle in Karlsruhe gebaut. 1871 wurde sie nach Langensteinbach gebracht und zunächst über der Kanzel platziert.
Nach Umbauten durch E.F. Walcker 1951 wurde sie 1975 im Zuge der Kirchenrenovierung durch die Orgelwerkstätte Peter Vier, Friesenheim restauriert und um ein Rückpositiv erweitert, das die Pfeifen des ehemaligen Unterwerkes aufnahm. Man wollte die Orgel dabei in den Zustand versetzen, den sie nachweislich zwischen 1818 und 1838 gehabt hatte. Hierbei erhielt die Orgel außerdem ihren heutigen Platz auf der zweiten Empore.
Ende der 1990er Jahre wies das Instrument erneut offensichtliche Mängel auf. Durch die Nähe zur vielbefahrenen Straße war es stark verschmutzt, was ein Stimmen gewisser Pfeifen unmöglich machte. Während langer Heizperioden zur Zeit der Andachten aus Anlass des Golfkrieges I hatte das Holz der Orgel sehr gelitten. Daraus ergaben sich Schwierigkeiten, die den konzertanten sowie den gottesdienstlichen Gebrauch der Orgel stark einschränkten.
„1801 Orgelpfeifen warten auf die Restaurierung“ – so lautete die Überschrift der daraufhin ins Leben gerufenen Spendenaktion. Mit ihrem Auftakt an Pfingsten 2004 bekam sie sofort – auch weit über Langensteinbach hinaus - große Unterstützung.
Im Rahmen der immer wieder angebotenen Orgelführungen und Werkstattbesuche bei den Orgelbauern (Orgelbau-Musikwerkstatt Andreas J. Schiegnitz in Albsheim/Grünstadt und Werkstätte für Orgelbau Martin Vier in Friesenheim) konnten sich die Paten regelmäßig davon überzeugen, dass ihr Geld ganz im Sinne einer historischen, auf neuesten Erkenntnissen beruhenden Rekonstruktion dieses bedeutenden Instruments verwendet wurde.
Das Patenbuch und die am Aufgang zur Orgelempore angebrachte Patentafel geben ein Bild davon, wie viele Menschen gerne ihren Beitrag dazu leisten wollten, dass unsere Stieffell-Orgel wieder in neuem Klang und Glanz erstrahlt.
Im Februar 2009 konnten wir die gelungene Restaurierung unserer Stieffell-Orgel eine ganze Woche lang ausgiebig feiern – mit Festgottesdiensten, Konzerten und als Höhepunkt einer (sehr) langen Orgelnacht.
Wir danken allen, die uns so großzügig auf vielfältige Art und Weise unterstützt und über die lange Zeit in unserem Vorhaben bestärkt haben und wünschen, dass unsere Stieffell-Orgel in ihrem neuen Glanz sie alle dafür vielfach entlohnen möge.
Wie äußert sich nun dieser „neue Glanz“ – außer im ebenfalls restaurierten Orgelgehäuse und dem frischen Wind der neuen ungewöhnlichen Balganlage im Turm der Ludwigskirche - was hat die erneute Restaurierung „gebracht“?
Das Instrument klingt freier, offener, als wäre eine Patina weggewischt worden und der wahre Glanz zum Vorschein gekommen. Die Anlängung der historischen Pfeifen, das Öffnen der Rückwand, die Vergrößerung des Rückpositiv-Gehäuses und die völlig neue (aber an historischen Vorbildern orientierte) Windversorgung sind einige wichtige Gründe.
Ausschlaggebend für die auch bei Experten immer wieder Erstaunen auslösende Klangverbesserung war aber die akribisch genaue Arbeit des Orgelbauers Andreas Schiegnitz, der nicht nur jede einzelne Pfeife mit kriminalistischem Ehrgeiz nach Spuren von Veränderungen durchsuchte, sondern auch dutzende Fahrten zu anderen Stieffell-Orgeln unternahm, in Archiven stöberte und auch Instrumente von Voit und Walcker zum Vergleich heranzog, um die Arbeitsweise jener Orgelbauer, die unsere Stieffell-Orgel veränderten, genauestens zu studieren. In Verbindung mit seinem außergewöhnlichen Klangempfinden und seiner tiefen Musikalität kristallisierte sich nach und nach ein Klangcharakter heraus, der viele, die an dem Instrument spielen, im Innersten trifft und auch langjährigen Kennern der Orgel eine schier unerschöpfliche Quelle der Inspiration offenbart.
Und immer dann, wenn eine Orgel Charisma versprüht, Eigenheiten hat, die manchmal auch schwer zu bändigen sind, eben kein universelles Allerweltsinstrument ist, eignet sie sich für viel mehr Musik, als man denken könnte. Nicht nur die gesamte Musik des 16. – 18. Jahrhunderts klingt vorzüglich, auch gut ausgewählte romantische Literatur oder die jazzigen Orgelbücher des Mannheimer Landeskantors Johannes Matthias Michel machen großen Spaß. Die Gestaltung der Liturgie, die Gemeindebegleitung, Vorspiele, Improvisationen, all das kann unsere Stieffell-Orgel mit Hilfe der Organistinnen und Organisten nun besser als in den vielen Jahrzehnten zuvor und so kann gelingen, was Ziel jeder guten Kirchenmusik ist: die Gläubigen dort zu erreichen, wo das gesprochene Wort alleine nicht hinkommt.
Dienstags 9:00 bis 11:00 Uhr
Donnerstags 15:30 bis 18:30 Uhr